Trotz strömenden Regens setzten 60 Antifaschist_innen am 17.5.2021 mitten in der Innenstadt von Saarbrücken ein deutliches Zeichen gegen Antisemitismus.
Die Redner_innen der Antifa Saar / Projekt AK, Connact Saar, der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Saar, der Heinrich Böll Stiftung und der Linksjugend [’solid]Saar stellten klar, dass sie den Raketenterror der Hamas verurteilen und sich solidarisch hinter Israel stellen. Die Redner_innen wiesen darauf hin, dass bei der Berichterstattung über den Nahostkonflikt für Israel stets andere Standards gelten als für andere Länder. Gleichzeitig wurden die antisemitischen Demonstrationen und Kundgebungen der letzten Tage deutlich verurteilt und klargestellt, dass es nur dann Frieden mit Israel und eine Befreiung der palästinensischen Bevölkerung geben kann, wenn die islamistische Hamas beseitigt ist.
Dass es dem Großteil der Teilnehmer_innen solcher antisemitischer Demos nicht um die Rechte der Palästinenser_innen, sondern nur darum geht, Israel zu dämonisieren und zu delegitimieren, machte nicht nur eine Rede der Antifa Saar klar, sondern wurde durch einige Anwesende am Rande auch umgehend demonstriert. Diese hatten mit zum Teil antisemitischen Parolen/Schildern versucht, die Kundgebung zu stören.Einen Aufruf für einen konkreten Beitrag im Kampf gegen den eliminatorischen Antisemitismus machte der Redner der DIG Saar, indem er zur Durchsetzung von Sanktionen gegen das Mullah-Regime im Iran aufrief.
Zu der Kundgebung aufgerufen hatten Antifa Saar / Projekt AK, ConnAct Saar, die Linksjugend [’solid] Saar und der Verein CriThink! e.V. und es beteiligten sich außerdem die DIG Saar, FemUp, Shalom Israel und Omas gegen Rechts.
Wir veröffentlichen hier unseren Redebeitrag der Antifa Saar / Projekt AK:
Die militärischen Auseinandersetzungen in Israel haben in Deutschland und vielen europäischen Metropolen tausende Demonstrierende auf die Straßen gebracht. Nicht nur in Berlin, sondern auch in London, Madrid und Paris kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften und Gegendemonstrant_innen. Es blieb bei den Demonstrationen dabei nicht bei Forderungen nach “Frieden und Freiheit für die palästinensische Zivilbevölkerung” oder der Diffamierung Israels als “Apartheidsstaat”. Es kam auch, wie in Berlin, zu Rufen wie “Intifada bis zum Sieg”, oder “Scheiß Juden”, wie vor der Synagoge in Gelsenkirchen, oder wie in London, gleich zu Vergewaltigungsaufrufen an den Töchtern von Jüd_innen. Diese von der deutschen Presse dann zu sog. “Nahost-Demos” umgedichteten Veranstaltung sind vor allem eines: sie sind antisemitisch!
Auch hier in Saarbrücken fand letzte Woche eine solche antisemitische Demonstration statt. Zwar wurden keine Israelfahnen verbrannt, und auch keine Polizist_innen attackiert, aber auch hier wurden Plakate hochgehalten, auf denen Israel buchstäblich von der Landkarte gelöscht ist, Fahnen des Libanon und der freien syrischen Armee wurden geschwungen und türkische Nationalist_innen präsentierten ein überlebensgroßes Konterfei von Erdogan.
Diesen Menschen ist jegliches Maß verloren gegangen.
Während sie zum Vorgehen Israels gegen den Hamas-Terrorismus von einem Völkermord phantasieren, schwingen sie selbst Flaggen und Propagandamaterial von Kriegsverbrechern, Diktatoren und Rassisten. Bei ihrer scheinheiligen Besorgnis um die “Kinder in Gaza” zeigen sie Flaggen der “Freien Syrischen Armee”, die selbst Kindersoldaten rekrutiert, um mit der Unterstützung der Türkei rücksichtslos gegen Kurd_innen vorzugehen. Während sie den angeblichen “Völkermord” betrauern, schwingen sie die Flagge der Türkei, also des Staates, der bis heute seinen Völkermord an den Armeniern leugnet. Und sie reden von einem “Freiluftgefängnis” in Gaza, während sie die Flagge des Libanon hochhalten, wo über 450.000 palästinensische Flüchtlinge systematisch vom öffentlichen Leben im Libanon ausgeschlossen und in die Armut gedrängt werden. Diesen sogenannten pro-palästinensischen Demonstrierenden sind die Schicksale der Palästinenser_innen vollkommen egal!
Sie vereint das Ressentiment gegen Jüd_innen und andere Minderheiten und sie zeigen dies auch öffentlich mit ihren Plakaten, Fahnen und Transparenten. Diejenigen, die derzeit unter türkischen Fahnen antisemitische Parolen rufen, das sind genau dieselben, die auch Rassismus gegen Kurden und Aleviten schüren und den Genozid an den Armeniern leugnen!
Alle, die an dieser Kundgebung auf dem Tiblisser Platz teilgenommen haben, haben den dort offen zur Schau gestellten Islamismus, türkischen Faschismus und Antisemitismus mindestens toleriert, wenn nicht sogar unterstützt.
Wo waren diese Proteste? Als beispielsweise 2014 palästinensische Sicherheitskräfte angebliche Kollaborateure Israels in Gaza erschossen haben, um sie zu enteignen? Wo waren diese Proteste? Als der IS 2015 in Jarmuk Palästinenser_innen abgeschlachtet hat, weil diese ihnen nicht religiös genug erschienen? Wo waren diese Proteste, als 2019 in Gaza Demonstrationen von palästinensischen Sicherheitsbehörden brutal zusammengeschlagen wurden und es Tote und Verletzte zu beklagen gab? All jene, die behaupten, sich für das Wohl der Palästinenser_innen einzusetzen, sind erstaunlich leise, wenn es nicht gerade Israel ist, das sich gegen den Terror der Hamas oder anderer Terroristen verteidigt.
Selbst in der saarländischen Staatskanzlei ist solch eine scheinheilige Palästinasolidarität anzutreffen. Der saarländische Spitzenbeamte Ammar Alkassar, Bevollmächtiger für Innovation und Strategie, teilte vergangene Woche über seinen Twitteraccount einen holocaustrelativierenden Tweet und verbreitete zahlreiche andere israelfeindliche Beiträge, während die israelische oder zumindest eine hamaskritische Perspektive vollkommen ausgespart blieb. Als die Sache öffentlich wurde, nahm Regierungssprecher Alexander Zeyer Alkassar in Schutz. Es handele sich lediglich um einen privaten Account, der nur die “Spannbreite der Diskussion in den Sozialen Medien” widerspiegele. Eine Distanzierung erfolgte lediglich wiederum in Form der üblichen Sonntagsreden, die Staatskanzlei stelle sich “gegen Antisemitismus” und dies schließe auch Herrn Alkassar mit ein.
Standpunkte wie diese sind auch in der Linken keine Seltenheit. Bei der Bewerbung der heutigen Kundgebung lesen wir sowohl antisemitische, als auch den Terror der Hamas relativierende Kommentare in den sozialen Netzwerken. Die pro-palästinensischen Demonstrationen seien nicht antisemitisch, sondern solidarisch mit den Palästinenser_innen. Gleichzeitig wird für Verständnis für den Antisemitismus der Demonstrierenden geworben, denn diese seien durch die Gegenwehr des Staates Israels nun einmal sehr aufgebracht, weil ihre islamischen Glaubensbrüder zu Schaden kämen.
Ansätze wie diese sind zutiefst verlogen. Es ist rassistisch, allen Muslim_innen diese Denkmuster zu unterstellen und die Verbreitung von Antisemitismus in arabischen Ländern als natürliche Tatsache hinzunehmen. Die Erziehung zu Antisemitismus und Antizionismus hat eine Funktion für die herrschenden Klassen und dient auch dem eigenen Machterhalt der dort herrschenden Diktaturen. Es gilt, dies zu entlarven und nicht stattdessen den Antisemitismus zu relativieren.
Alle, die Verständnis für die antisemitischen Kundgebungen zeigen oder sogar daran teilnehmen, schließen in unseren Augen erst recht einen Großteil der Palästinener_innen aus, nämlich all jene, die gegen die Hamas sind, aber sich nicht äußern können, weil sie schlimme Strafen befürchten müssen. Es schließt all jene aus, die sich als Schwule und Lesben verstecken müssen. Nicht alle Palästinenser_innen sind antisemitisch und die Menschen in Gaza wären froh, wenn Hamas oder Abbas nicht mehr da wären, denn dann würde es ihnen wohl weitaus besser gehen.
Aber genausowenig wie die israelischen Jüd_innen und anderen Minderheiten haben gerade diese Muslim_innen die sich gegen solche islamistischen Ideologien stellen, keine Stimme. Dabei sind es gerade diese Stimmen, die für einen Frieden mit Israel unverzichtbar sind!
Und wenn wir uns heute hier als Linke versammeln, dann tun wir das nicht aus stumpfer Israelsolidarität heraus und nicht nur deshalb, weil wir uns mit den Jüd_innen solidarisieren, die tagtäglich in ihren Häusern um ihr Leben bangen, sondern weil wir uns auch entschieden gegen die Hamas stellen, die ihrerseits die Palästinenser_innen in Geiselhaft halten. Nichts könnte der Hamas egaler sein als das Leben der Palästinenser_innen, wenn es um ihren verzweifelten Versuch geht, Israelis zu terrorisieren und zu töten.
Wir wollen nicht nur, dass Israel in Frieden existieren kann, sondern auch, dass die Menschen in Gaza von der Hamas befreit werden. Denn nur so kann es einen Frieden mit Israel geben!
Daher gilt für uns auch heute:
Free gaza from hamas!
Gegen jeden Antisemitismus auf der Welt!
Kein Frieden mit den Feinden Israels!
Antifa heißt Solidarität mit Israel!